Schweiz – EU: bessere Chancen mit einer grösseren Verhandlungsmasse?
In seinem Input-Referat plädierte Prof. Michael Ambühl, ehemaliger Botschafter und Staatssekretär, für einen baldigen neuen Anlauf mit der EU. Zunächst müsse die Schweiz zwar die innenpolitischen Streitpunkte klären, beispielsweise die Fragen rund um den Lohnschutz. Mit Blick auf neue Verhandlungen hält es Ambühl für ratsam, wenn die Schweiz sich den Vorteil des «first mover» sichert, ihre Vorstellungen also als erste auf den Tisch legt. Er empfiehlt einerseits einen Streitbeilegungsmechanismus mittels Schiedsgericht, der zwar ohne den Europäischen Gerichtshof (EuGH) auskommt, dessen Kompetenzen aber auch nicht beschneidet. Andererseits empfiehlt er eine Vergrösserung der Verhandlungsmasse, weil es so einfacher werde, Kompromisse zu schmieden. «Voraussetzung für einen Erfolg ist aber eine pragmatische, konzessionsbereite Haltung auf beiden Seiten.»
Initiativprojekt mit Fragezeichen
An diesem Punkt stellte sich die Frage, ob die kürzlich von der Operation Libero und den Grünen präsentierte Volksinitiative geeignet wäre, diesen Prozess zu beschleunigen. Die Diskussionsteilnehmer zeigten sich skeptisch. GLP-Nationalrätin Katja Christ erklärte, sie habe da einige Fragezeichen, «denn die Wirtschaft braucht heute Lösungen und nicht übermorgen.» Die EU sei momentan zu Recht etwas düpiert und die Schweiz könne nicht einseitig diktieren, was sie nun gerne hätte. «Der nächste Schritt muss daher sehr gut überlegt sein.»
Auch René Buholzer, Direktor von Interpharma, beurteilt das Initiativprojekt eher kritisch. Dessen grundsätzliches Ziel – stabile, vertraglich geregelte Beziehungen zur EU – sei zwar unterstützungswürdig, der gewählte Weg sei es aber nicht. Die im Initiativtext für Verhandlungen gesetzte Frist von drei Jahren schränke die Handlungsmöglichkeiten des Bundesrats unnötigerweise ein. Letzteres gab auch Ambühl zu bedenken, vor allem aber dauere dieser Weg sehr lange.
Bundesrat darf nicht weiter Zeit verlieren
Die Zeit ist tatsächlich ein kritischer Faktor. «Die Pharmabranche braucht Planungssicherheit», betonte Buholzer. «Entwicklungszyklen für neue Medikamente dauern zehn Jahre oder länger.» Die Unternehmen würden deshalb nicht auf den Bundesrat warten, sondern sich neu organisieren. Das sei für die einzelnen Firmen kein unlösbares Problem, für den Wirtschaftsstandort aber sehr wohl. Vom Bundesrat wird entsprechend erwartet, dass er die nötigen Schritte rasch einleitet und wieder eine europapolitische Perspektive schafft. Ob ein solches Projekt als Rahmenabkommen 2.0 oder als Bilaterale III tituliert werde, sei hingegen zweitrangig.
Weitere Infos im stark+vernetzt-Faktenblatt zum Rahmenabkommen.