Volksabstimmung über einen höheren Schweizer Beitrag an der europäischen Grenzschutzagentur Frontex: Das musst du wissen
Nun aber mal der Reihe nach...
Frontex – was sie tut, und was sie mit der Schweiz am Hut hat
Seit 2008 ist die Schweiz Teil des Schengener- und Dubliner-Raums. Zu beiden Verträgen hat das Schweizer Stimmvolk 2005 mit 54.6 Prozent klar Ja gesagt. In den Folgejahren wurde diese Zustimmung bei mehreren Urnengängen erneut bestätigt, zuletzt 2019. Schengen hat unter anderem dazu geführt, dass es zwischen den beteiligten Ländern keine systematischen Grenzkontrollen mehr gibt. Dafür wurde der Schutz der europäischen Aussengrenzen verstärkt – mit dem Ziel, für mehr Sicherheit im Innern zu sorgen. Zu diesem Zweck wurde die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache geschaffen, die auch Frontex genannt wird. Damit sie ihre Aufgaben effektiv erledigen kann, wird sie von den Schengen-Staaten mit Geld, Personal und Material ausgestattet. Als assoziiertes Mitglied beteiligt sich auch die Schweiz daran.
Aufgrund von grossen Flüchtlingsbewegungen und der Zunahme der internationalen organisierten Kriminalität in den letzten Jahren, wird die Schutz-Aufgabe von Frontex immer anspruchsvoller. Deshalb soll die Organisation nun mehr Ressourcen erhalten.
Frontex und Schengen/Dublin – das hat das eine mit dem anderen zu tun
Damit der Ausbau von Frontex möglich wird, hat die EU die zugrundeliegende Verordnung angepasst. Da es sich um eine Weiterentwicklung einer Schengen-Bestimmung handelt, muss diese von allen beteiligten Schengen-Ländern mitgetragen werden. Also auch von der Schweiz. Weil Frontex letztlich auch unsere Grenzen schützt, müssen wir uns am Ausbau beteiligen. Konkret heisst das: Der finanzielle Beitrag der Schweiz wird sich von jährlich 24 (Stand 2021) auf rund 61 Millionen Franken erhöhen. Das ist aber nicht per sofort vorgesehen, sondern soll etappenweise bis zum Jahr 2027 vonstattengehen. Zudem werden bis zu 39 Schweizer Grenzwächterinnen und Grenzwächter an den europäischen Aussengrenzen zum Einsatz kommen.
Setzen wir die neuen Richtlinien nicht Schengen-konform um, verlieren wir das Abkommen – und zwar automatisch innert sechs Monaten. Es braucht weder eine Kündigung seitens der EU noch durch uns. Das besagt eine spezielle Klausel, die im Artikel 7 im Abkommenstext aufgeführt ist. Da Dublin rechtlich direkt an Schengen geknüpft ist, würde auch dieser Vertrag ungültig.
Wo die Schweiz von Schengen profitiert
Die Schengen-Mitgliedschaft stiftet in verschiedenen Bereichen grossen Nutzen – nicht nur für die Schweiz als Ganzes, sondern auch für alle von uns ganz persönlich. Erstens: Ein verstärkter Schutz der Schengen-Aussengrenzen sorgt nicht nur für ein sicheres Europa, sondern auch für eine sichere Schweiz. Zweitens: Als assoziiertes Schengen-Mitglied hat die Schweiz Zugriff auf das Schengener Informationssystem sowie auf das Visa-Informationssystem. Beide Datenbanken sind heute für unsere Polizei zentrale Fahndungssysteme – beispielsweise bei der Ermittlung von Kindsentführungen oder der Bekämpfung illegaler Einwanderung. Drittens: Das Schengen-Visum ermöglicht im Normalfall freies Reisen auf unserem Kontinent und ist für die Schweizer Tourismusbranche sehr wichtig. Ohne systematische Grenzkontrollen können wir uns ausserhalb der Pandemie zudem unkompliziert und frei in Europa bewegen.
Darum gibt es eine Volksabstimmung am 15. Mai 2022
Der Bundesrat befürwortet den Frontex-Ausbau durch die Schweiz, und das Parlament hat für die Umsetzung der neuen Schengen-Richtlinie ebenfalls grünes Licht gegeben. Damit sind aber nicht alle einverstanden. Ein Bündnis von Akteuren aus dem linksalternativen Spektrum hat gegen diesen Entscheid das Referendum ergriffen.
Deshalb steht die Schweiz erneut vor einer bedeutenden Weichenstellung in ihrer Beziehung zu Europa. Wie diese ausfällt, entscheidet die Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022.